Ein Tag im botanischen Garten Rostock
Zwischen Blütenregen und Pflanzenwissen - ein Tag im botanischen Garten Rostock
Nach einem ausgiebigem Frühstück am Doberaner Platz ging es mit dem Fahrrad zum Botanischen Garten in Rostock. Gut gestärkt war ich also bereit diesen zu erkunden.
Gleich am Eingang wartete das erste Erlebnis auf mich. Von der Hauptstraße kommend betrat ich den Botanischen Garten durch eine Allee aus blühenden japanischen Zierkirschen. Ein rosa Tunnel, der das Stadtgeräusch sofort schluckte. Die Blüten hingen dicht und es rieselten ein paar Blätter auf den Weg. Ich war direkt mittendrin - nicht nur im Frühling, sondern auch in einer ganz eigenen Welt.

Fototipp: Obwohl die Sonne bereits hoch stand, bot die Allee aus japanischen Zierkirschen faszinierende Motive. Die Blüten waren so zart und lichtdurchlässig, dass sie im Gegenlicht beinahe transparent wirkten. Ich fotografierte bewusst in Richtung Sonne – dadurch entstanden stimmungsvolle Aufnahmen mit leuchtenden Konturen und weichem Lichtspiel in den Blütenblättern. Die Japanische Zierkirsche ist nicht nur optisch ein Highlight im Frühjahr, sie stellt auch klare Ansprüche an ihren Standort. Damit sie ihre volle Blütenpracht entfalten kann, braucht sie einen sonnigen Platz – Schatten, selbst zeitweise, bekommt ihr nicht gut. Während der Blütezeit von April bis Mai zeigt sie sich dann in ihrer ganzen Schönheit: dichte, meist rosafarbene Blüten, die das Laub fast vollständig überdecken.
Nach dem ich die Kirschblüten aus allen möglichen Perspektiven fotografiert hatte, ging es aus dem Tunnel heraus und weiter hinein in den botanischen Garten. Auf der rechten Seite, kamen direkt die Gewächshäuser, die wir später auch noch erkunden werden, aber zunächst ging es für mich zu dem Teich auf der linken Seite, an dem eine wunderschöne, riesige und in frischem grün leuchtende Weide steht. Die beweglichen Äste bewegten sich sanft im Wind.

Fototipp: Auch an der großen Weide am Teich stand die Sonne hoch am Himmel. Ich positionierte mich so, dass die Sonnenstrahlen durch das Blattwerk schimmerten – dadurch entstand ein natürlicher Lichtverlauf im Hintergrund. Diese Lichtführung verlieh der Szene eine fast meditative Stimmung.

Nachdem ich die Ruhe unter der Weide, am Wasser und in einem Meer aus grün wirken gelassen hatte, ging es weiter. Über die gewundenen Wege durch das Frühlingserwachen im botanischen Garten. Der botanische Garten ist gut strukturiert und eine durchdachte Sammlung verschiedenster Pflanzenräume, die nicht nur Blütenpracht zeigten sondern auch Pflanzen aus unterschiedlichen Lebensräumen, deren Blätter mit ihren natürlichen Strukturen detailreiche Fotos bringen.

Fototipp: Feine Blattadern, filigrane Farnstrukturen – bei vielen Pflanzen zeigt das Gegenlicht ihre Schönheit besonders eindrucksvoll. Das Licht von hinten hebt die Strukturen hervor und lässt selbst unscheinbare Details plastisch wirken. Gerade Farne eignen sich ideal für solche Gegenlichtaufnahmen.
In unterschiedlichen Abteilungen ist der Garten gegliedert und sorgt so für eine gute Struktur, Übersicht und einiges an Abwechslung.
Das Alpinum im Botanischen Garten Rostock präsentiert auf 0,5 Hektar eine beeindruckende Vielfalt an Gebirgspflanzen aus aller Welt. Viele davon sind an extreme Bedingungen angepasst – sie wachsen niedrig, polsterförmig, bilden große Blüten und verbreiten ihre Samen durch den Wind. Die Anlage ist nach Gesteinsarten gegliedert: kalkliebende Pflanzen wachsen im Kalkquartier, silikattolerante im Silikatbereich. So wird deutlich, wie stark Bodenbeschaffenheit und Standort die Entwicklung und Form von Pflanzen beeinflussen.

Das Arboretum im Botanischen Garten Rostock umfasst rund 2.900 Gehölzarten, darunter Laub- und Nadelbäume sowie zahlreiche Sträucher. Es ist Teil der Systematischen Abteilung und über das Gelände verteilt. Die Pflanzen sind nach Verwandtschaftsgruppen geordnet – soweit Standortbedingungen es zulassen. Besonders gut vertreten sind Familien wie Rosengewächse, Magnolien, Ahorne, Eichen, Linden und Walnussgewächse.

Die Offizinelle Abteilung widmet sich Pflanzen, deren Inhaltsstoffe in Medizin, Ernährung, Handwerk oder Technik genutzt werden. Viele Heilpflanzen wirken in der richtigen Dosis heilend, in höherer Konzentration jedoch giftig – solche Arten sind durch rote Etiketten gekennzeichnet. Die Pflanzen sind nach ihren Hauptinhaltsstoffen und Verwendungszwecken sortiert. Der Begriff „offizinell“ steht ursprünglich für arzneilich genutzte Pflanzen, umfasst heute aber allgemein nutzbare Arten. Die Bedeutung dieser Pflanzen reicht weit zurück: Schon im alten Ägypten wurden ihre Wirkungen dokumentiert, und Klostergärten mit Heilkräutern gelten als Vorläufer heutiger Botanischer Gärten.

Die ostasiatische Sammlung zeigt Gehölze aus gemäßigten Klimazonen, darunter Sicheltanne, Lotuspflaume, Bambusarten und die Kolkwitzie. Besonders im Frühling sorgen rund 150 Rhododendron-Arten und -Sorten für farbenfrohe Blüte. Im Herbst stechen die Herbst-Anemone und der Geflügelte Spindelstrauch hervor. Im Zentrum steht das historische "Japanhaus", ein Reetdachbau von 1939, der heute als Unterrichtsraum genutzt wird.

Die Systematische Abteilung zeigt die Entwicklung der Pflanzenwelt anhand ihrer stammesgeschichtlichen Verwandtschaft. Pflanzenfamilien sind hier nach dem Fortschritt der Evolution geordnet – ursprüngliche Familien wachsen hangaufwärts, weiterentwickelte Gruppen hangabwärts entlang des Hauptweges. Die Anordnung ermöglicht einen Überblick über die Formenvielfalt der Gefäßpflanzen, die sich weltweit aus über 300.000 Arten zusammensetzt. Auch die Gehölze im Arboretum gehören zu dieser Abteilung. Neue genetische Erkenntnisse führen laufend zu Anpassungen im Pflanzensystem, die schrittweise im Garten umgesetzt werden.
In Mecklenburg-Vorpommern gelten rund 45 % der heimischen Gefäßpflanzenarten als gefährdet oder bereits ausgestorben. Besonders betroffen sind Arten aus Dünen, Mooren und eiszeitlich geprägten Landschaften sowie regionale Endemiten. Für 76 Arten besteht laut Florenschutzkonzept dringender Handlungsbedarf. Einige dieser gefährdeten Pflanzen werden im Botanischen Garten als sogenannte Erhaltungskulturen (gelb gekennzeichnet) gepflegt und vermehrt, um sie langfristig wieder in ihre natürlichen Lebensräume zurückzuführen. Besucherinnen und Besucher werden gebeten, besonders rücksichtsvoll mit diesen sensiblen Beständen umzugehen.
Nachdem ich mir den gesamten Garten angeschaut hatte, ging es noch in das Loki-Schmidt-Gewächshaus. Das Tropengewächshaus im Botanischen Garten Rostock bietet auf 400 m² eine beeindruckende Vielfalt tropischer Pflanzen. Hier herrschen konstant warme Temperaturen zwischen 25 und 30 °C sowie eine Luftfeuchtigkeit von über 80 %, die den Bedingungen tropischer Regenwälder nachempfunden sind.
Dabei haben sich erstmal meine Brille und Objektiv beschlagen.
Zu sehen sind Nutzpflanzen wie Bananen, Kakao und Yams, exotische Wasserpflanzen wie Seerosen und Wasserhyazinthen sowie zahlreiche Epiphyten wie Bromelien, Orchideen und Farne.


Fototipp: Bei kleineren Pflanzen oder Blüten lohnt es sich, nahe heranzugehen und mit einer niedrigen Blendenzahl (z. B. f/2.8 oder f/3.5) zu fotografieren. So wird der Hintergrund sanft verschwommen – das Motiv hebt sich klar ab und störende Elemente im Bild verschwinden in weichem Bokeh.
Ein kleiner Wasserfall, fleischfressende Pflanzen und besondere Arten wie die Gitterpflanze aus Madagaskar oder der spektakuläre Baumfarn aus Australien machen den Rundgang besonders abwechslungsreich. Auch an Trockenheit angepasste Arten, wie Kakteen und sukkulente Gewächse, haben im Wüstenbereich des Gewächshauses ihren Platz.

Epiphyten - Aufsitzerpflanzen
Epiphyten, auch Aufsitzerpflanzen genannt, sind Pflanzen, die auf anderen Pflanzen – meist Bäumen – wachsen, ohne ihnen Nährstoffe zu entziehen. Sie nutzen ihre Wirtsbäume lediglich als Standort, um näher an das Licht zu gelangen, vor allem in dichten tropischen Wäldern, wo der Boden oft dunkel und feucht ist.
Epiphyten wurzeln nicht im Boden, sondern haften mit speziellen Wurzeln an Rinden, Ästen oder Blättern. Ihre Nährstoffe und Wasser beziehen sie aus der Luft, dem Regen oder aus organischem Material, das sich auf den Ästen sammelt. Typische Vertreter sind viele Orchideen, Bromelien, Moose, Flechten und einige Farne.
Ihre Rolle im Ökosystem ist vielseitig: Sie schaffen Mikrohabitate für Insekten, Amphibien oder kleine Vögel, verbessern die Luftfeuchtigkeit im Kronenraum und tragen zur Biodiversität in tropischen Regenwäldern bei. Außerdem zeigen sie eindrucksvoll, wie anpassungsfähig Pflanzen sein können – auch ohne direkten Kontakt zum Boden.

Mein Besuch im Botanischen Garten Rostock war mehr als nur ein Spaziergang mit Kamera. Es war eine kleine Weltreise durch verschiedenste Pflanzenlebensräume. Jede Abteilung hatte ihren eigenen Charakter, ihre eigenen Farben, Formen und Lichtstimmungen. Ob zwischen zarten Blüten im Alpinum, unter den Baumriesen des Arboretums oder im feuchten Dschungel des Tropenhauses. Der Garten bietet nicht nur Vielfalt, sondern auch Ruhe und Inspiration.

Lichtemotionist - Tobias Ackermann
Autor; Künstler

Alicia Ackermann
Co-Autor; M.Sc. Meeresbiologie





