Waldgeheimnisse
Waldgeheimnisse - eine filmische Reise ins Herz des Schwarzwalds
Manchmal braucht es keinen großen Plan, nur die richtige Richtung. Bei diesem Projekt war das Ziel klar: Den Wald nicht nur zeigen, sondern spürbar machen. Nicht als Kulisse, sondern als Ursprung. Und Menschen porträtieren, die nicht vom Wald reden, sondern mit ihm arbeiten.
Im Schwarzwald habe ich genau solche Menschen getroffen. Die Möbelmacher von woodesign. Keine Industrie, kein Fließband, eine Möbelwerkstatt in St. Georgen, die altes Holz aus abgerissenen Schwarzwaldhäusern verwendet, um daraus neue, zeitlose Möbel zu bauen. Hier entstehen Stücke, die nicht nur aus Holz sind, sondern aus Haltung. Die Männer und Frauen dort – ruhig, konzentriert, mit dem Blick fürs Wesentliche – leben ihr Handwerk. Sie schleifen nicht nur Oberflächen, sie formen Charakter.
Handwerk mit Herkunft
Ich wollte keine Imagebilder produzieren. Der Film zeigt keine spektakulären Maschinen, sondern langsame, präzise Bewegungen. Ich wollte begreifen, was es heißt, Holz wirklich zu kennen. Also bin ich mit der Kamera tief rein. Zwischen Holzspäne, Hobelbänke und Lichtkegel. Ich habe Hände gefilmt, die Maserungen lesen wie andere Menschen Bücher. Habe Werkzeuge eingefangen, die über Jahrzehnte benutzt wurden, als wären sie Teil der Familie.
Was dabei entstanden ist, ist kein Werbefilm, sondern ein kleines Portrait in Bewegung. Eine filmische Beobachtung. Gedreht mit natürlichem Licht, ergänzt durch gezielte Spots, die nur das unterstreichen, was sowieso da war: echte Konzentration, klare Formen, ehrlicher Umgang mit Material.

Bilder, die Holz hörbar machen
Zwischen den Werkstattszenen war für mich klar: Diese Geschichte braucht den Wald selbst. Nicht als Fußnote, sondern als Protagonisten. Ich habe Makroaufnahmen gemacht, Nahaufnahmen von Rinde, Moos, Licht, das durch Äste fällt. Ich bin früh los, stand im Nebel, habe auf das richtige Licht gewartet. Der Schwarzwald hat seine eigene Sprache, man muss sich nur die Zeit nehmen, um zuzuhören.

Klang statt Kommentar
Was diesen Film besonders macht, ist die Musik. Sebastian Schnitzer hat den Soundtrack selbst komponiert – direkt am Flügel, während der Rohschnitt lief. Er hat improvisiert, gespielt, verworfen, neu angesetzt. Am Ende blieb ein Motiv, das alles zusammenhält. Der Titel: „La Madera“, Spanisch für Holz.
Dazu kommen die Originalgeräusche aus der Werkstatt und aus dem Wald. Kein Sounddesign aus der Konserve, sondern echte Aufnahmen. Selbst das Ticken des Hobels oder der Klang von Holz auf Metall wurde vor Ort aufgenommen, auch wenn das nicht immer reibungslos lief: Genau während der Tonaufnahme startete der Nachbar seine Bandprobe. 😄

Was mich an diesem Projekt begeistert hat
Es war die Kombination aus Stille und Präsenz. Aus rauer Handarbeit und feiner Präzision. Ich habe selten Menschen erlebt, die so klar mit dem arbeiten, was sie vor sich haben. Ohne Show, ohne Worte. Nur durch das was sie tun.
Die Kamera musste sich zurücknehmen. Ich habe viel beobachtet, lange Einstellungen gewählt, wenig Schnitte. Alles durfte atmen. Genau das war die Herausforderung: nicht zu viel machen, sondern das zulassen, was schon da ist.
Holz als biologisches Gedächtnis – Die Wissenschaft der Dendrochronologie
Holz erzählt Geschichten, die oft Jahrhunderte überdauern. Jeder Baum zeichnet seine Lebensbedingungen in einer Abfolge von Jahresringen auf. Breite Ringe stehen für gute Wachstumsjahre, schmale Ringe für Trockenzeiten, Frost oder andere Belastungen. Auch Feuer, Überschwemmungen, Stürme oder Schädlingsbefall hinterlassen charakteristische Spuren im Holz.
Die Wissenschaft, die diese Informationen entschlüsselt, heißt Dendrochronologie – abgeleitet vom Griechischen „dendron“ (Baum) und „chronos“ (Zeit). Durch die Analyse der Jahresringabfolgen können Umweltbedingungen exakt einem Kalenderjahr zugeordnet werden. Mit Vergleichsreihen, sogenannten Standard- oder Regionalchronologien, gelingt es, die Geschichte eines einzelnen Holzstücks präzise einzubetten. Besonders wertvoll ist diese Methode für die Archäologie, Klimaforschung und die Denkmalpflege.
Jahresringe dienen dabei nicht nur der Altersbestimmung. Sie ermöglichen auch Rückschlüsse auf vergangene Klimaverläufe, Naturkatastrophen und menschliche Eingriffe in die Landschaft. In Mitteleuropa wurden auf Basis dendrochronologischer Daten nahezu lückenlose Klimarekonstruktionen der letzten 10.000 Jahre erstellt.

Wald. Handwerk. Haltung.
„Waldgeheimnisse“ ist für mich mehr als ein Projekt gewesen. Es ist eine Erinnerung daran, wie nah Natur und Gestaltung beieinander liegen können. Wie stark Bilder wirken, wenn sie nicht schreien, sondern zuhören. Und wie man mit Licht und Ton Geschichten erzählen kann, die leise anfangen – aber lange nachhallen.

Wer Holz nur als Möbel sieht, sollte sich das anschauen. Und wer glaubt, dass Handwerk nichts mit Kunst zu tun hat, auch.
Mehr Eindrücke gibt es auf 👉 lichtemotionist.de/waldgeheimnisse
Quellen:
Fundamentals of Tree Ring Research (Speer, 2010)

Lichtemotionist - Tobias Ackermann
Autor; Künstler

Alicia Ackermann
Co-Autor; M.Sc. Meeresbiologie





