Mit Sebastian Schnitzer im Wald

Tobias Ackermann • 31. Mai 2025

Morgens um sieben im Mistelbrunner Wald – ein Shooting mit Sebastian Schnitzer

Ich packe meine Ausrüstung meistens am Abend vor einem Shooting oder einer geplanten Fototour. Meine Kamera, Objektive, voll aufgeladene Akkus, Stativ und was für die geplanten Fotos noch gebraucht wird. Wenn ich rausfahre, will ich nicht basteln oder überprüfen müssen, ich will fotografieren. Dieses Mal ging es in den Mistelbrunner Wald, einen Ort, den ich gut kenne, weil ich schon oft dort war und der Wald sozusagen der Wald war indem meine Waldfotografie ihre Geburt hatte. :) Der Wald ist ruhig, hat klare Linien, einen von Moos bedeckten Boden, er ist nicht zu dicht, hat Lichtungen und eine Mischung aus Nadel- und jungen Laubbäumen.

Die letzten Wochen hatte sich eine Idee in meinem Kopf entwickelt, ein natürliches Fotoshooting eines Wanderers auf seinem Weg durch den Wald, der zwischendurch eine kurze Pause macht und ein heißes Getränk genießt. Um diese Idee umzusetzen brauchte ich neben meiner Kameraausrüstung natürlich auch einen Wanderer. Also fragte ich Seppi (Sebastian Schnitzer), der schon öfter mit mir kreative Ideen umgesetzt hat und bei dem ich weiß, dass er jemand ist, bei dem meine Idee natürlich rüber kommt: jemand draußen, früh unterwegs, achtsam, echt.


Das Setting – bewusst einfach

Da wir ja ein natürliches Shooting haben wollen, bleibt das Setting bewusst einfach: Seppi, der Wald, ein Aufsteckblitz mit Stativ und Schirm. Früh morgens ging es also für uns in den Wald, damit die Luft noch schön kühl ist um den Dampf des heißen Getränks auf den Bildern sichtbar zu machen. Kurz nach Sonnenaufgang ging es in den Wald um ein paar Locations festzulegen. Auf den Behind-the-Scenes-Bildern sieht man das ganz gut: Ich arbeite mit einem Aufsteckblitz, und einem weißen Durchlichtschirm. Kein Monster-Setup, aber genug, um gezielt Licht zu setzen, das wirkt, ohne aufzufallen. In diesem Fall den Schatten etwas aufzuhellen.

Ich habe den Blitz bewusst so platziert, dass er die dunkle Seite von Seppi etwas aufhellt. Die Sonne stand tief, was großartig aussieht, aber eine Gesichtshälfte schnell im Schatten verschwinden lässt, ich wollte es hier nicht zu düster haben. Die Sonne wandert, der Wald verändert sich im Minutentakt. So musste ich die Position des Blitzes immer wieder anpassen.



Die Zwei Szenen

1. Unterwegs:

Bei den Bildern, in denen Seppi durch den Wald geht und die Sonne als Gegenlicht wirkt, fällt es mir schwer, in einen echten Flow zu kommen. Ich probiere verschiedene Perspektiven – von oben, von unten, auf Augenhöhe. Aber noch passt das Zusammenspiel aus Bewegung, Licht und Komposition nicht so, wie ich es mir vorstelle. Vielleicht braucht es eine klare Idee für die Bildaussage – oder einfach den Moment, in dem sich alles von selbst fügt. Ich lasse die Idee durch den Wald laufen fallen.

Nächste Idee: Seppi kommt im Wald an, bleibt kurz stehen, schaut sich um und genießt die Ruhe und die Natur.

Kein Schauspiel, keine übertriebene Geste. Er macht einfach das, was er sonst auch tun würde. Ich greife nicht viel ein, sondern lasse ihn machen und probiere unterschiedliche Perspektiven aus. Mal die Kamera auf Bodenhöhe, gegen das Licht fotografiert, dann die Kamera auf dem Stativ aus einer höheren Perspektive auf Augenhöhe fotografieren. Auch ganz schön sportlich für mich, da ich gleichzeitig den Blitz immer wieder umstellen musste.

Bei den nachfolgenden Bildern habe ich zusätzlich mit unscharfem Vordergrund gearbeitet, um die Tiefenwirkung des Bildes zu verstärken – ein einfacher, aber wirkungsvoller Kniff, der den Blick gezielt in die Szene lenkt. Das Unscharfe im Vordergrund schafft nicht nur räumliche Tiefe, sondern auch Atmosphäre. Es lässt das Hauptmotiv in der Mitte oder im Hintergrund bewusster hervortreten, ohne aufdringlich zu wirken. So entsteht ein Bild, das den Betrachter hineinzieht – still, aber eindringlich. So hab ich mir das vorgestellt der Flow beginnt.

2. Ankommen:

Nach dem Gehen kommt die Ruhe. Seppi setzt sich auf einen moosbedeckten Baumstumpf, stellt den Kocher auf und gießt Wasser ein. Es wird stiller im Bild, reduzierter. Die Bewegung weicht der Konzentration. Ich wähle die Perspektive so, dass das Licht von hinten durch den Dampf fällt. Der Blitz bringt nur so viel Aufhellung, dass Gesicht und Hände lesbar bleiben. Der Moment lebt von der Kombination aus Licht, Dampf und Haltung.

Bei der Bildbearbeitung habe ich zwei unterschiedliche Looks entwickelt: Einen klaren, kontrastreichen Stil für das volle Gegenlicht – mit harten Kanten, kräftigen Farben und einer betonten Silhouette. Und einen zweiten, weicheren Look, der das seitlich einfallende Licht nutzt – sanftere Kontraste, mehr Zeichnung in den Schatten und ein insgesamt ruhigeres, natürlicheres Bildgefühl. Zwei Stimmungen, die denselben Moment auf unterschiedliche Weise erzählen.

Das sind die Momente, in denen mir immer wieder bewusst wird, wie unterschiedlich man einen Augenblick wahrnehmen kann – obwohl Licht und Location gleich bleiben. Eine kleine Verschiebung der Perspektive, ein Schritt zur Seite, ein veränderter Blickwinkel – und plötzlich erzählt das Bild eine ganz andere Geschichte. Was eben noch hart und direkt wirkte, wird weich und offen. Was vorher verborgen war, tritt in den Fokus. Genau darin liegt für mich die Magie der Fotografie: im bewussten Sehen, im feinen Spüren, wann ein Moment stimmig wird.

Als Alternative hatten wir noch ein Pausensetup mit Vesper, was unser Abschluss war und das wir dann auch ganz bewusst genossen haben. Wir saßen noch einen Moment beisammen und tauschten uns darüber aus, wie wir das Fotoshooting jeweils empfunden hatten. Ein ruhiger Ausklang, der Raum ließ für Reflexion – über den Tag, die Bilder und das, was dabei entstanden ist.

Auf den Making-of-Bildern sieht man, wie konzentriert das abläuft. Keine große Crew, kein Assistententeam. Zwei Leute. Einer fotografiert, einer steht im Licht. So arbeite ich am liebsten. Klein, fokussiert, effizient.

Was ich gelernt habe

Du kannst draußen gute Bilder machen, wenn du bereit bist, dich zu bewegen. Der Wald gibt dir ein einzigartiges Studio. Er gibt dir Situationen. Du musst sehen, reagieren, anpassen. Die Bedingungen sind nie perfekt. Du kannst nur das Beste daraus machen.

Der wichtigste Punkt: Vorbereitung. Ich kenne den Wald, wusste welche Stellen sich vermutlich am besten für die Vorstellung der Bilder eignen. Und trotzdem war ich ständig am Nachjustieren. Das Wetter ist nicht so wie vorhergesagt, die Sonne kippt früher als geplant, die Lichtung eignet sich doch nicht für das Bild, oder man bekommt seine Vorstellung nicht umgesetzt. Wer improvisieren kann, hat am Ende die besseren Bilder.

Beim Fotografieren, während wir durch das weiche Moos liefen und der Dampf aus Seppis Tasse im ersten Licht aufstieg, wurde mir aber auch bewusst, was dieser Ort wirklich bedeutet – nicht nur für ein Bild, sondern für das Klima.


Der Wald als CO₂-Speicher – und was danach passiert

Bäume spielen eine zentrale Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf. Während ihres Wachstums nehmen sie über die Photosynthese große Mengen an Kohlendioxid (CO₂) aus der Atmosphäre auf und speichern den Kohlenstoff in ihrem Holz, ihrer Rinde und ihren Wurzeln. Sie wirken damit wie natürliche CO₂-Staubsauger und leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.

Doch auch nach dem Tod eines Baumes bleibt ein Teil dieses gespeicherten Kohlenstoffs im System erhalten. Während ein gewisser Anteil beim Abbauprozess durch Mikroorganismen und Pilze wieder in Form von CO₂ freigesetzt wird, wird ein anderer Teil langsam zersetzt: Tiere und Insekten raspeln das abgestorbene Holz mechanisch immer weiter herunter, bis nur noch feine organische Partikel übrig bleiben. Diese werden in den Waldboden eingearbeitet und bilden Humus – ein kohlenstoffreicher Bestandteil, der das CO₂ langfristig im Boden bindet.

Über sehr lange Zeiträume kann sich dieser Prozess noch weiterentwickeln: Unter Sauerstoffabschluss und durch zunehmende Verdichtung entsteht zunächst Torf. Wird dieser über Jahrmillionen weiter bedeckt, verdichtet und chemisch umgewandelt, können daraus Braunkohle oder sogar Steinkohle entstehen – gigantische Kohlenstoffspeicher, die ursprünglich aus Pflanzenmaterialien wie Bäumen stammen.

Dass wir heute durch Wälder wie den Mistelbrunner laufen können, in denen dieses natürliche Kreislaufsystem noch funktioniert, ist keine Selbstverständlichkeit. Schon frühe Forstwirtschaft bei Römern und Kelten hat gezeigt, wie sensibel solche Prozesse auf menschliche Eingriffe reagieren.

Ein Shooting im Wald ist deshalb mehr als nur eine Fotoidee. Es ist eine Begegnung mit einem lebendigen System, das weit über unseren Moment hinaus wirkt.

Fazit

Seppi im Wald war kein großes Projekt, aber ein gutes, weil es ehrlich war. Wenig Ausrüstung, klare Idee, echte Szenen. Genau das will ich zeigen. Mit Licht gestalten, nicht mit Filtern kaschieren.

Wenn du selbst ein Shooting in der Natur planst, nimm weniger mit, aber verstehe deine Shooting Location. Wähl den Ort bewusst, beobachte das Licht, nutz Technik, die dich unterstützt statt dich zu stressen. Und am wichtigsten: fotografier jemanden, der wirklich was zu erzählen hat. Dann wird’s gut.

Mehr Bilder aus der Serie gibt’s auf   www.lichtemotionist.de

Fragen zu Setup, Licht oder Kamera? Schreib mir einfach eine Email oder auf Instagram.

Lichtemotionist - Tobias Ackermann

Autor; Künstler

Alicia Ackermann

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